Das für das als Anwesen erschlossene Sein vermisste Empfinden


VIII. Achtung von Selbstsein in mit der begründenden Vernunft vereintem Empfinden im ursprünglichen Bestimmungsgrund der schöpferischen Macht


28. Achtung des Selbstseins und Bestimmung als Macht

Das Geleitetseins durch den maßgeblichen Anspruch auf Einstimmung im Gottesgedanken zeigen die Reflexionsverfahren der Kapitel 6 bis 12 des Proslogion an, die sich bemühen, die im Glaubensgedächtnis aufkommenden Widerstreite zu schlichten.

P 5 nimmt das Selbstsein als Ursprung und Sein als Schöpfer auf, und denkt das Selbstsein als ein „solum existens per se seipsum“ (aus Mon P 3 ff), wissend, dass ein durch sich selbst Sein als Vollzug des Seins als Ursprung nur im Mitsprechen des Worts denkbar wird, durch das wir diesen Grundgang des Selbstseins erinnern und vergegenwärtigen können. In der weiteren Beantwortungsversuchen der sich stellenden Wasfrage wird die dem entsprechende Beurteilungsfigur für die identifikativ gebrauchten Begriffe der maßgeblichen und grundgebenden Seinsweisen in Bestimmung der göttlichen Wesenheiten als leitend für eine Selbstgemäßheit aufgegriffen, aber dort, wo nach P 18 die Entsprechung aus der Sammlung der Seelenkräfte hätte jene Maßgaben aus dem Selbstsein für ein selbstgemäßes Selbstseinkönnen in eine Verantwortung (der Vermögens- und Verhaltensbildung) hätte aufgenommen werden müssen, schwenkt der Gottesgedanke wieder in eine verlangende Ausrichtung ein und entwirft (nach den Mutmaßungen über die Beschaffenheiten von Gott als Gut) ein Panorama des erfüllten Genießen im himmlischen Sein bei, aus, mit und durch Gott, das denAnnahmebedingungen der Maßerkenntnis in Verantwortung zur Überwindung der Ungemäßheit nicht gerecht wird.

Anselm sucht die in P 5 andeutend aufgezählten Wesenheiten in den Folgekapiteln zu erörtern, inwiefern und in welcher Weise sie zurecht Gottes Wesen ohne Widerstreit (sine repugnantia P 10) zuerkannt werden können. Leitend werden die Wesensbegriffe, wie sie in jener der ursprünglichen Ermöglichung des Gutseins, dass etwas sei und für gut befunden wird, das es sein können solle, aus dem Bestimmungsmaß, dass Du das bist, was in jeder Hinsicht besser ist zu sein als nicht zu sein (quiduid melius est esse quam non esse – vgl. Mon P 15: absolute melius est quam non ipsum). Die Weise des Wasseins ist mit dem Du personal aufgenommen; das Wesen ist das einer ansprechbar vertretbaren und sich zu erkennen gebenden Person. Die ersten beiden dann genannten Wesensbestimmungen des personhaften Verhaltens im Selbstsein sind als dessen Kriterien das gerecht und das wahrhaft Sein – iustus et verax (wahrredend, wahrhaftig – also verläßlich in der Treue des sich zusagenden Worts – Ich bin der ich bin - und für euch da sein werde Ex 3,14).

Erstaunlich muss es im Anschluß erscheinen, warum in P 6 dem Wesen im Selbstsein zuerst die Empfindung als Vermögen zuerkannt werden muss: in der Werkstruktur der sich entfaltenden Argumentations des Proslogion wird damit an dieser Stelle aufgenommen, das der Gottesgedanke im Vernehmen der Seinsweise seines Wesens der Unterscheidung von Denken und Erkennen bedarf, um ein Kritierum wahrer Einsicht des Wesens als Maß des Grundverhältnisses des sich uns in Begriffen erschließenden Göttlichen haben und beurteilend in der Annahme als zutreffend gebrauchen zu können. Es muß als Empfinden des Wirklichen aber dem nicht körperlichen Geist der Seele eigen sein, nicht aus einem als sensitiv Wahrnehmbaren, sondern aus dem Vermögen des Empfindenkönnens selbst. Nur so kann die erwartete Einsichtsgabe im geistigen Erkennen der Seele die Beurteilungswendung gegenüber dem einbildnerischen Urteilsdenken (des Toren und der als unangemesen zu erkennenden Anmaßung von Bestimmungsmacht über Gott) gültig vollziehen.

„Besser empfindend als nichtempfindend zu sein“, würde so die Wesensannahme erfüllen, auch wenn es ein Leid- und Schmerzempfinden einschließt. Das wahre Empfinden ist Erkennen. Mit dem Empfinden ist Erkenntnis gegenwärtig und in Unterscheidung vom Denken ist auch die Vernunfterkenntnis durch Empfindung bedingt: sie ist Achtung als Vernunftempfindung, die so als die Gottes Wesen in dessen ursprünglichem sich Geben entsprechend zu sein fähige Grundhaltung des Glaubensbewußtseins ausweisbar ist und dem Empfangen von Einsicht allein gemäß sich verhalten kann – als „passend“ den geistigen Vermögen der Erkenntnis (cognitio), wie es in P 6 heißt.

Inwieweit dieses Erkennen in Vernunftempfindung gegenüber dem vermissten Gefühl der Anwesenheit (in P 14 „Warum fühle ich Dich nicht?) die Suche nach der Entsprechung leitet oder durch das Verlangen nach Erfüllung der höchsten Freuden in ihrem Genuß überdeckt wird – denn darin ist keine Erkenntnis, sondern wieder nur eschatologische Einbildungskraft wirksam, deren Entwürfe nicht widerstreitfrei sind und ein Streben nach Gottesentsprechung gerade nicht aus Ebenbildlichkeit urspünglicher Gabe leiten, werden wir anhand der Kapital 20 bis 26 erörtern.

29. Urprüngliche Macht

P 7 behandelt Gottes Wesen im Sein als Macht. Leitend bleibt auch hier als Bestimmungsgrund die Wesenheit im Maß des Selbstseins: es hat Vermögen, und kann darum nicht etwas wirken, das ihn selbst vernichtete, ihn verunmöglichte. Diese Einsicht folgt aus der in P 5 zu erkennen aufgenommenen Seinsweise per seipsum. Solche Art des „Nichtkönnens“ ist keine Schranke, stellt kein Unvermögen dar, sondern ist als Bedingung des Unbedingtseins zu erkennen. Das als göttlich anzunehmende Selbstsein ist in seiner unbedingten Macht auch durch sich nicht beliebig bestimmbar, nicht willkürlich gegen anderes noch zu sich. Es ist als absolutes Selbstsein nicht so verfasst, dass es sich selbst gegenübertreten könnte. Eine Struktur des durch sich selbst Seins, was es ist, hat nur Bedeutung gegen einen Willen oder ein Tun aus Verhalten von anderem zu ihm, wie wir es im Denken des Urteilenden Verstandes aufgenommen haben, da wir Gott als etwas denken, das uns entgegensteht oder dem wir als Person gegenübertreten können. Das sich 'Verhalten gegenüber' ist aber entscheidend für alle Relationen, in denen das Wesen als Seinsweise Bestimmtheit und Erkennbarkeit erhält. Dass innergöttliche Relationen oder ein sich zu sich Verhalten nicht konstruierbar ist und nichtkonsistent gedacht werden kann, hat Rahner u.a. zur Einsicht geführt, dass die sog. immanente Trinität die ökonomische ist, die Denkbarkeit der Göttlichen Selbstseinsweise zwar notwendig eine trinitarische Verfassung annimmt, darin aber das Verhältnis zu sich als Denken und Glauben und maßannehmend Befolgen nicht heraussetzen kann, also die Ebenbildgabe in der Gründungseinheit von Gott und Mensch für das ein Personseinkönnen ermöglichende Personsein schon voraussetzt und als Gedächtnis von Menschwerdung und Passion wach hält.

Alle trinitarischen Relationen müssen Wesensbestimmungen ihrer Verhaltens- und Seinsweisen annehmen, die das eine Wesen ausmachen und sie in einer rein kontemplativen Betrachtung überhaupt nicht unterscheidbar sein lassen würden. Sind hingegen die Wesenheiten als Maßgaben für das Verhalten im Ermöglichen des Selbstseinkönnens, das in Gott seinen Ursprung und Grund der Maßannahme hat, dann lassen sich darin Unterscheidungen von Ursprung- und Erkenntnisgabe denken, die von der Wesensidentität in eine Einheit zur Selbstgemäßheit verhalten werden. Gottes Selbstsein wird dann als es selbst annehmbar mit der Entsprechungserkenntnis als Grundlegung des Geistes erkennbar, das die Verhältnisse des Gebens und Annehmens in das Leben des göttlichen Geistes – heilsgeschichtlich – einschließt, aber nicht konstruierbar ist, sondern sich nur in der annehmenden, die Entsprechung in der Nachfolge ermöglichenden Glaubenseinsicht einstellt, in der Gott im Geist als Person unter uns anwesend ist, wenn zwei oder drei im Namen der personalen Einheit von Gott und Mensch in einer Person versammelt sind.

Ihrem wesensgemäßen Selbstsein geht kein Wille vorher. Anzunehmen als göttlich ist die Weise des unbedingten Selbstseins nur, da es „in allem sich gemäß“ ist. Als Wahrheit kann das Göttliche nicht lügen, nicht täuschen – nicht machen dass Falsches wahr oder Wahres falsch wird. – Zwar könnte es im Maß der Willkür nicht „alles“ (Denkbare), doch wäre solches Maß der unvorbestimmten Willkür weder das des Selbstseins von Macht als Macht noch von Vermögen als Vermögen. Die leitende Selbstheit wird als Selbstübereinstimmung der bedachten Wesensweisen maßgebend. Als Macht im Wirken geistiger Werke ist das Göttliche dabei immer auf das bezogen, worin ein gestaltendes, bildendes, anmessendes Wirken möglich ist. Nach dem Maß der Selbstübereinstimmung des Wesens im wirksamen Selbstsein als erkennbar göttlich, können die gottgemäßen Handlungen keine Verfügung sein, deren Macht dem, worin und wofür sie ausgeübt wird, ncht dem gemäß ist, was ihr gemäß nur selbst sein kann. Darum bleibt alle Gottesmacht an die Ermöglichung von Seinkönnen gebunden und bindet alle seine Wesensbestimmung n dieser Ausrichtung als Schöpfergeist, Erhalter und Beistand ein. Die nur scheinbar als Macht in Willkür allbestimmend werdende Unvorbestimmtheit eines göttlichen Willens, stellt aus der Phantasie reiner Denkmöglichkeiten nur im Vergleich mit jenen Willensbestimmungen der Verfügung den Anschein einer Möglichkeit dar, wo wir Macht in Entscheidungen über Dinge oder Handlungen bereits haben, uns nicht ursprünglich zu ihnen verhalten. Dem Maß des Ursprungs entsprechend können wir usn darum nur erhalten und wiederermöglichend verhalten und Gott als Ebenbildgrund als reformator annehmen. Jede Willkürliche Verfügung zu nicht auf das zu Ermöglichende abgestimmten Zwecken, verkennt, dass wir in jedem wirklichen Handeln mit gegebenen Dingen eine Arbeit leiten, in der die Eigenarten erfahren und in jeder real möglichen Sachherrschaft berücksichtigt werden müssen.

Das „All“ in der Allmacht geht darum nicht auf unbestimmt alles, sondern auf die Bedingungen der Vermögen, je selbst als es selbst „gemacht“, also mit Arbeit und ordnendem Handeln gebildet sein zu können, dass es es selbst sein kann, also nicht als Macht über, sondern auf alles, dem es als es ermöglichend Ursprung sein kann. Alles durch göttliche Macht ursprünglich ermöglichte Seiende ist in seinem für es maßgeblichen Bestimmungsgrund an das Selbstsein Gottes rückgebunden. Die ursprüngliche Gabe steht als Macht deren Vernichtung und dem Widerstreit der verfügenden Aneignung entgegen; – darum ist der Allmacht kein Allwissen als Erklärungsgrund von „allem“ was geschieht oder nicht geschieht zugeordnet, denn das wäre nicht konsistent als Gottes Wesen denkbar.

Das einem Selbstseinkönnen nicht Zuträgliche zu können, wäre ein Verunmöglichung von Vermögen; dem göttlichen Selbstsein wäre eine Selbstungemäßheit eingeschrieben, die die Vollkommenheit gerade ausschlösse. Die Erkenntnisfigur der Wesensbindung des Gotteshandelns hat darum grundlegende Bedeutung für das beurteilende Selbstbewußtein aller personalen Vermögen als zu verantworten.

Mit der Grenze des Verstandesvermögens ist auch jede technische und auf das Dasein der einzelnen Dinge und Gegenstände der Welt in ihrer Vielheit und Allheit bezogene Bestimmung von Gottesmacht und ihres Allwissens abzuhalten.

Wie die nun folgenden Kapitel aufgreifen, ist die Selbstübereinstimmung von göttlicher Macht als in der Grundlegung zur Entsprechung aufgenommen durch das Sein des Wesens der Güte und der Gerechtigkeit bedingt. Hier, in der Anstrengung deren Zusammenstimmung zu erweisen, gerät die Anselmsche Lösung an eine Grenze.

  IX.

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